Wo unsere Toten bestattet wurden
          Kurze Geschichte der Friedhöfe in Rheine
                             von den ersten Zeiten des Christentums an
                             bis in unsere Tage
          
          
             
                
                   MV - Als das Christentum in unsere Heimat einzog, wurde das Gottes- 
haus nicht nur Mittelpunkt der jungen Gemeinde, sondern hier war auch 
der Platz, wo man die Toten im Schatten des Heiligtums zur letzten Ruhe 
bettete. Ehrfurcht vor den Toten war schon in vorchristticher Zeit tief im 
Herzen des Volkes verwurzelt. Hatten doch die Vorfahren bereits 3000 
Jahre früher ihren Toten so riesige Großsteingräber errichtet, daß diese 
Denkmäler noch heute von den Menschen des technischen Zeitalters stau- 
nend betrachtet werden.
                   
                      
                        
                          Als die erste Missionskirche des Gaues 
Bursibant neben der Curtis Reni an der 
Ems erstand, wurden auf ihrem Kirch- 
platz die Christen unter dem Zeichen des 
Kreuzes zur ewigen Ruhe gebettet, und 
so ist es bis 1807 geblieben. Nach kirch- 
licher Vorschrift war dieser Platz nicht 
nur geheiligt, sondern auch befestigt und 
gefriedet. Man nannte ihn- nicht darum 
Friedhof, weil hier die Toten in Frieden 
ruhten, sondern weil hier in den Kämp- 
fen Zur Zeit des Fehderechts die Waffen 
ruhten und hier der Verfolgte - schuldig 
oder unschuldig - eine sichere Zuflucht 
fand. Selbst wertvolles Hab und Gut 
brachte man zur Fehdezeit in die kleinen 
Kirchhofsspeicher oder gar in das Got- 
teshaus selber, wo es der ritterliche Geg- 
ner nidit antastete. 
Die Namen an der Klrchenwand 
 Die Missionskirche machte um das Jahr 
1000 einem Neubau Platz, und dieser wich 
ca. 400 Jahre später der heutigen Diony- 
síuskirche, aber der Ruheplatz der Toten 
blieb stets erhalten. An der Außenwand
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                          (Grab) verbleiben mögen, in Betracht, 
daß die abscheuliche Krankheit der Pesti- 
lenz stark hierselbst zu grassieren leider 
wieder anfängt, so hat man sich nach 
einem Platz umgesehen und keinen bes- 
seren gefunden als den, der Kurf. Dchl. 
eigen und nächst der alten Hospitalkirche 
belegen, welche jetzt die Hospiialprovi- 
soren in Gewinn haben und davon 2 1/4 
Rt. bezahlen." 
 Der Landesherr erfüllte diese Bitte, und 
der Weihbischof weihte den Platz am 17. 
August 1625, einem Sonn- und Kirmes- 
tage feierlich ein. Heute heißt er Heil. 
Geist-Platz. Wie lange er als Gottes- 
acker diente, ist nicht festzustellen. Bei 
Erdarbeiten kommt dort noch heute To- 
tengebein zutage. 
Auf dem Chor wurden die Geistliçhen 
beigesetzt 
 War schon ein Grab im Schatten der 
Kirche ein christlicher Ehrenplatz, um 
wieviel mehr eine Ruhestätte im Gottes- 
hause selbst. - Auf dem Chor wurden 
die Geistlidien beigesetzt. Als in St. Dio-
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                      Einer der Namen an der Außenmauer des Marienschiffes von St. Dionys.
                    
                   
                      
                        
                           des Mariensdaiffs finden wir Namen ein- 
gehauen, die uns wahrscheinlidi die In- 
haber eines Erbbegräbnisses an der Kir- 
chenmauer nennen. Das übliche Fried- 
hofskreuz ist im letzten Kriege zerstört 
worden. Sein Vorgänger war um 1680 
von Bernd Meiering errichtet, es wird ge- 
wiß nicht das erste gewesen sein. 
Keine großen Gruften auf dem Kirchhof 
 Der Platz auf dem Kirchhof war eng 
und gestattete darum keine weiträumi- 
gen Gruften, wie wir sie heute kennen. 
Die Toten ruhten Grab an Grab, und ein 
schlichtes Holzkreuz hielt ihr Andenken 
fest. Sobald es notwendig war, mußte 
der Tote einem anderen Platz machen. 
Das ausgegrabene Totengebein wurde 
ehrfurchtsvoll im Beinhause auf dem 
Friedhof untergebracht. Das Beinhaus bei 
St. Dionys ist verschwunden, und sein 
Standort ist unbekannt. Es wird im "Al- 
bum Rheínense" bezeugt, wo der Maler 
C. Weddige seine Inschrift festgehalten 
hat. 
Nach der Einnahme der Stadt 1623 
 Trotz des Beinhauses traten in Notzei- 
ten unhaltbare Zustände auf. Nach der 
Einnahme der Stadt 1623 räumten Hun- 
ger und Pest derartig unter den Bürgern 
auf, daß man sich nach einem weiteren 
Gottesacker umsehen mußte. Die Stadt 
wandte sich mit folgender Bitte an den 
Landesherrn: 
 "Nachdem durch allerhand abscheuliche 
Krankheíten eine große Anzahl, klein 
und groß, weggestorben, also, daß hiesi- 
ger Kirdihof etlichemal in Jah- 
resfrist umgegraben, welches viele 
Krankheiten verursacht, weil die cada- 
vera (Leichen) nicht vergehen, und ganz 
unchristlich, daß die gegrabenen Chri- 
stenleichname nicht ein Jahr oder 
ein halbes ruhig in ihrer sepultura
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                             nys s. Zt. für die Heizungsanlage ausge- 
schachtet wurde, kamen nicht nur Toten- 
gebein, sondern auch lederne Meßgewän- 
der zutage, deren Form auf die Barockzeit 
hinwies. Der Adel hatte vorn im Kir- 
chenschiff seine Ruhestätte; im rückwär- 
tigen Teil lagen auch bürgerliche Gruften. 
Ihr Eigemumsrecht war mit einzelnen 
Wohnhäusern verbunden, konnte also 
auch mit diesen verkauft werden. Hier 
gab es kunstvolle Grabplatten, die wohl 
großenteils verschwinden mußten, als Pa. 
stor Kümpers um 1790 einen neuen Fuß- 
boden legen ließ. Zwei präditige Epitha- 
phíen haben an der Außenseite der Turm- 
pfeiler Platz gefunden. Viele Grabplat- 
ten sind als Belag der Wege auf dem 
Kirchplatz benutzt worden. Da aber die 
Rückseite nach oben gekehrt ist, sieht 
man auf ihnen weder Skulpturen no 
Beschriftung. 
Kloster Bentlage hatte Beerdigungsrecht 
 Nicht allein die Pfarrkirche, sondern 
auch Kloster Bentlage hatte seit 1473 
Beerdigungsrecht, aber nur in beschränk- 
tem Maße. Die Kreuzherren durften 
Rheiner Pfarrkinder bestatten, wenn die- 
se es wünschten. lhr Privileg erstreckte 
sich also nicht auf die Bauerschaft Bent- 
lage. Ein Viertel des Opfergeldes beim 
Totenamt mußte an den Pfarrer abge- 
führt werden. Auch Fremde konnten hier 
ein Grab finden. Friedhof war das 
Quadrum, der Binnenhof zwischen 
Kloster und Kirche. Vor Jahren war hier 
in der Wand das Denkmal eines Schulte 
Bentlage zu sehen. Die Patres fanden 
ihre Ruhestatt im Kreuzgang des Klo- 
sters, der später zum Flur des Schlosses 
umgebaut worden ist. 
 Die Franziskaner in der Stadt beerdig- 
ten ihre verstorbenen Ordensbrüder im 
Binnenhof zwíschen Kloster und Kirche,
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                   dem heutigen Vorplatze des Rathauses. 
Bei Erdarbeiten daselbst erinnert Toten- 
gebein an die Ordensleute, welche hier 
ruhen. 
Friedhof an der Salibergener Straße 
seit 1807 
 Für die gesundheitlichen Verhältnisse 
war es recht förderlich, daß die Regie- 
rung zur Franzosenzeit befahl, die Got- 
tesäcker außerhalb der geschlossenen Ort- 
schaften anzulegen. Da es bei uns kei- 
nen Gemeinheitsgrund gab, der bequem 
lag, so wurde ein dem hiesigen Bürger 
Anton Otto Beckering gehöriger, an der 
Steinstraße (heute Salzbergener Straße) 
liegender Garten, und zwar der Eckgar- 
ten, dafür ausgewählt, und am 23 No- 
vember 1807 wurde zwischen Beckering 
und dem Kirchenprovisor Franz Gerdes- 
mann ein Vertrag geschlossen, wonach 
die Stadt und das Kirchspiel dem Besit- 
zer des Selkinghofes (Beckering) jährlich 
6 Rtl. 4 Groscheni bezahlt." 
Wir wissen nicht, wann der Platz ein- 
geweiht wurde und wer hier als erster 
seine Ruhestatt fand. Ein Beinhaus brauch- 
te man hier nicht; denn die Ruhe der To- 
ten wurde vorerst nicht gestört. Darum 
konnten auch dauerhafte Denkmäler aus 
Stein errichtet werden. Wer besinnlirh 
zwischen diesen alten Steinen wandelt, 
kann Rücksprache mit vergangenen Ge- 
nerationen halten. Der Friedhof ist ein 
Stück Heimatgeschichte für den, der sie 
zur lesen versteht. Das Begräbnis des 
Pfarrers in der Kirche scheint man an- 
fangs beibehalten zu haben, wenigstens 
hat Pastor Kümpers 1813 noch in der 
Kirche seinen Platz gefunden. Nach 
kirchlíchem Recht darf noch heute der Er- 
bauer und Stifter eines Gotteshauses in 
der Kirche beigesetzt werden. Darum 
ruht Dechant Pietz in der Basilika, wo 
man bereits beim Bau ohne sein Wissen 
eine Gruft für ihn vorgesehen hatte. 
 Der alte Friedhof an der Salzbergener 
Straße ist bis ins 20. Jahrhundert die
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
  
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          Ruhestatt der Toten gewesen, bis ein ge- 
räumigeres Feld an seine Stelle trat. 
Viele Denkmäler und Gruften auf dem 
alten Friedhof werden nodi heute ge- 
pflegt. Er ist heute zu einem schattigen 
Park geworden, auf dessen Ruhebänken 
alte Menschen ihr Plauderstündchen hal- 
ten über die gute, alte Zeit und über die 
Bekannten, die zu ihren Füßen ruhen. 
Eins hat der alte Friedhof behalten: sei- 
nen Namen: Beckerings Gaorden", mit 
dem er bereits im Geburtsregister ein- 
getragen steht. 
Die Friedhöfe in Eschendorf 
und auf dem Königsesch 
 Dechant Pietz legte 1904 auf der Kie- 
bitzheide einen neuen Gottesacker an, der 
wiederum für die Stadt- und Landge- 
meinde bestimmt war und dem damaligen 
Personenstande entsprach. Es stand da- 
für alter Kirchengrund zur Verfügung. 
Das wuchtigè Portal ist vom Erbauer der 
Basilika, dem Architekten Klomp, ent- 
worfen worden. Der Stadtteil links der 
Ems verzichtete aber ungern auf einen 
eigenen Gottesacker, den er allzeit be- 
sessen hatte. Darum legte Dechant Fabry 
nach dem ersten Weltkriege den Fried- 
hof auf Königsesch in Bentlage an. 
Der Grund dazu wurde von Schulte Bent- 
lage erworben. Die Einwohnerzahl ist 
inzwischen so gestiegen. daß beide Fried- 
höfe für die Ruhe der Toten kaum aus- 
reichen und bereits erweitert wurden. 
Die Friedhöfe der evang. Gemeinden 
 Die evangelische Jakobi-Gemeinde hat- 
te ihren ersten Gottesacker in enger Tuch- 
fühlung mit Beckerings Garten und 
blieb auch auf dem Königsesch dieser 
Nachbarschaft treu. Der Friedhof der Jo- 
hannesgemeinde rechts der Ems an der 
Surenburgstraße liegt ebenfalls in der 
Nähe des katholischen Gottesackers auf 
der Kiebitzheide. 
 Alle Gemeinden halten ihre Friedhöfe 
in würdigem Zustand, und die Angehöri- 
gen sind bemüht, die Graber ihrer Lieben 
so zu pflegen, wie es der Jahreszeit ent- 
spricht. .Man findet hier ständig Men- 
schen, welche die Gruften von Verwand- 
ten und Bekannten besuchen und ihrer 
gedenken. In der Sorge um den Gottes- 
acker spiegelt sich die kulturelle Haltung 
eines Volkes wieder.  Franz Kolck
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
  
  
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