Die Bauerschaften der Gemeinde Rheine rechts der Ems

Zur Gemeinde Rheine rechts der Ems gehören die Bauerschaften Gellendorf, Eschendorf, Schotthock, Altenrheine und Rodde. Schon früh muß hier die Gegend besiedelt gewesen sein, wovon noch jetzt die alten Grabstätten unserer vorgeschichtlichen Ahnen zeugen. Ein altes Steingrab läßt sich noch in der Bauerschaft Heine nachweisen, in Gellendorf, Eschendorf und Schotthock waren Hügelgräber, die alle den Neubauten zum Opfer fielen.
Im Schotthock sprach man vom "Goldhügel in Walshagen", einem Hügelgrab, das der Sage nach einen König in goldenem Sarge barg. Vor etwa 15 Jahren mußte er wegen Häuseranbau abgetragen werden. Viele Urnen konnten dabei geborgen werden. Seit Eingang des Christentums gehörten die Gemeinden zum alten Kirchspiel Rheine. Schon das Werdener Heberegister nennt die Orte Gelanthorpe (Gellendorf), Westerroda (Nahen Rodde) und Ascitari (Eschendorf). Ein kirchliches Heberegister aus dem Jahre 1373 bezeichnet letzteres schon als Eschendorpe. Ascitaria ist das Haus des Eschenbewohners, das wohl, wie Volmer in "Stadt und Amt Rheine" meint, an der Eschenfurt des Hemelter Baches wohnenden Ansiedlers. Als sich die Ansiedlung erweiterte, verwandelte sich der Name in torp (Dorf). Wie reich unsere Gegend schon um 1400 bewohnt war, erhellt aus einer Markenrolle damaliger Zeit, in der die markenberechtigten Höfe genannt werden. Rechts der Ems zog sich das "Elter Brok" mit dem "Oldenrhener" Wald hin. Bei Saerbeck beginnend, verlief dieser große Eichen- und Buchenwald in einer Breitenausdehnung von 10 Kilometer in den Spellerwald. Obengenannte Bauerschaften hatten Anteil am Oldenrhener Wald. In Eschendorf bestanden die markenberechtigten Höfe "dat Hemholt", Hemelt, Smeddink (Schmedding jetzt Zurborn), Dykhues (Dyckhoff jetzt Timmermann), Spithues (Blanke), Posthues (Post), Poelhues (Pohlmann), de Veltkotte (Veltmann), und Overwaldeshues (unbekannt). Mit Eschendorf wird Schotthock genannt. Hier begegnen wir den Namen Kosterhues (Kötter, Köster), Wernekenhues (Werning), Woleschen Erwe (Welschemeyer), Welschehagen (Walshagen, Besitzer Kümpers), Kraenfeld (Krafelt), Monike, Kranikfeldt (Deiters). Der größte Teil der in Eschendorf und Schotthock bezeichneten Erben sind 1927 zur Stadt eingemeindet. In Gellendorf finden wir zu der Zeit schon uns jetzt noch bekannte Namen wie: Santhues (Sandmann), Helmink (Helmer), Hovedeshues (Heuvers), de Rordigen Kotten (Ruhe), Lugers Haneke (Leugers) und Ernstinck (Ernsting).
Auch Altenrheine hat seine Höfe und ihre Namen treu bewahrt. Es seien genannt: Hinriking (Hinterding), Gode (Gude), Lensink (Lanze), Mensink (Mense), Elekinck (Eilker), Gocking (Göcking), Groten Gerdt (Graute), Berdeker (Bätker), Herking (Wullenherker). Altenrheine wird zuerst im 11. Jahrhundert als Oldenrheni genannt. Schon der Name "Oldenrheni" läßt darauf schließen, daß diese Ansiedlung älter ist, als die erste der Stadt Rheine selbst, und daß hier die Scholle des ehemaligen Sadelhofes zu suchen ist. Am Altenrheiner Bahnhof findet sich heute noch der Rest eines Großsteingrabes aus der jüngeren Steinzeit (2000 v. Chr). Bekannt ist die Altenrheiner Kapelle. Sie liegt unter Linden versteckt, am Ostabhang des Stadtberges. Im Stile zeigt sie den Übergang der Rainessance zum Barock. Fenster und Eingang sind rundbogig. Über dem Eingang steht:
"anno 1676 ist diese capele renoviert worden.
"hab got lip vo allen dingen, so kan es dir nichtes mislingen."


Altenrheine Klause                            Foto Otten, Rheine

Der sehenswerte Altar ist spätgotisch und stammt aus dem Kreuzherrenkloster Bentlage, wie es das Kreuzherrenwappen an demselben bezeugt.
Die Bauerschaft Rodde bestand schon früh aus dem Teil "Westerrodda" und 1373 "Oysterrodda", der heutigen Bezeichnung Nahen- und Fernrodde entsprechend. Auch hier ist der Besitzstand seit 1400 durch folgende Namen gewahrt: Hermelinck (Hermeler), Borcherdinck (Borchert), Edinck (Eiinck), Eppinck (Epping), Stratenberndt (Stratmann-Konermann), Schulte Meierinck (Schulte-Wietfeld), Elmerick (Elmer), Konradinck (Konermann), dat Rüterhues (Reuter), Eilherding (Eller), Schulte Owerwatering (Schulte Oechtering). Die Eigenhörigkeit all dieser genannten Höfe bildet ein eigenes und interessantes Kapitel, das an dieser Stelle zu weit führen würde. Genannt seien: Hovedeshues (Heuvers), Gellendorf war den Erben von Steinfurt, dat Poelhues (Pohlmann) Eschendorf dem Lüdike von Hake von der Devesburg, dat Wernekenhues (Werning) Schotthock dem Kloster Bentlage, Lensink (Lanze) Altenrheine den Steinfurtern Johannitern und Elmerick (Elmer) Rodde dem Tecklenburger hörig.


Am Kanalhafen in Rodde
Foto Otten, Rheine

So wanderte der Zehnte der Bauern nach allen Richtungen, wo nur der Adel oder die Geistlichkeit saß. Wie unsere ganze Gegend, so hatten auch die Gemeinden rechts der Ems schwer unter den Kriegen aller Jahrhunderte, besonders unter dem Dreißigjährigen und Siebenjährigen Kriege, zu leiden. Als sie im Jahre 1653 zum Kostenaufwand der Ausbesserung der Emsbrücke herangezogen wurden, wandten sich die "sämtlichen Eingesessenen" in ihrer Not an den Landesherrn Bischof Bernhard von Galen und klagten ihm ihre verzweifelte Lage und wiesen darauf hin, wie die Kaiserlich-Lamboyschen und Schwedisch-Königsmarkschen Truppen die Bauerschaften hart mitgenommen, ihre Häuser teils eingeäschert, teils abgebrochen hätten, die Wälder zerhauen seien, so daß das nötige Holz nicht mehr zu finden sei. Eine alte selbstgeschrieben Chronik des Bauern Schottmeyer-Schotthock aus der Zeit des siebenjährigen Krieges führt uns die Hand- und Spanndienste, sowie die Kontributionen von Naturalien und Geld eines jeden Kriegsjahres auf, die der Hof zu leisten hatte. Danach war der Bauer zum Sklaventum herabgesunken, und daß er nicht in Verzweiflung geriet, ist zu verwundern. Aber ehe man es denken sollte, erholte er sich aus seiner bedrängten Lage. Dabei kam ihm besonders der Heuermannstand zugute, der in unserer Gegend immer größer wurde. Nach einem kirchlichen Heberegister von 1790 zählte Altenrheine 40, Rodde 29, Eschendorf-Gellendorf 26 und Schotthock 7 Heuerleute. Das waren allein in diesen Gemeinden 102 Heuermannsfamilien. Sie steuerten der Not des landwirtschaftlichen Arbeitermangels, erwarben im Frühjahr durch Hollandgängerei das nötige Bargeld und brachten dadurch große Werte ins Land. Aus gesundem Bauernblut erwachsen, war es aber auch der Heuermann, der in späteren Jahren den aufblühenden Städten seine besten Kräfte lieh. Ein großes Schmerzenskind der Gemeinden rechts der Ems war von jeher die Emsbrücke. Zu jedem Brückenumbau und Brückenschaden wurden sie herangezogen. Schon im Jahre 1362 wird die Brücke am Mühlendamm erwähnt. (Vergl. Führer, Geschichte der Stadt Rheine S. 200.) Es war eine Zugbrücke, die an beiden Enden mit festen Toren versehen war.


Die Altenrheiner Schleuse
Foto Otten, Rheine

Welche Kosten damit für die Stadt und die Bauerschaften verbunden waren, zeigen uns die Nachrichten aus späterer Zeit. Im Jahre 1593 mußte die Zugbrücke erneuert und ein neues Brückenjoch erbaut werden. Die Gemeinden hatten die halbe Kirchspielschatzung zu zahlen. Aber schon 1602 wurde die Brücke hinweggeschwemmt, und wieder gab es neue Kosten. Bei einer Brückenerneuerung 1625 mußte Rodde 154 Rt., Altenrheine und Eschendorf 33 Rt. zahlen. Als die Brücke 1639 wieder zerstört wurde, berechnete man die Unkosten der Erneuerung nach Fuß. Die Roddeschen zahlten für 24 Fuß 222 Rt., die Altenrheiner für 13 Fuß 120 Rt., die Eschendorfer und Gellendorfer für je 7 Fuß 65 Rt. Zu all diesen Auslagen kamen noch die Hand- und Spanndienste der Bauern. Als man sich endlich 1675 entschloß, eine steinerne Brücke zu bauen, fanden die Herren Beamten, die benachbarten Gutsherren nebst Bürgermeistern und Rat von Rheine es für gut, die Unkosten von 1920 Reichstalern zu Zweidrittel den Bauerschaften aufzubürden. Aber die Brücke wurde schon am 19. Januar 1677 hinweggeschwemmt. Da konnte zunächst nur Püntenfahrt eingesetzt werden, für deren rechte Behandlung zwei Fährleute vereidigt wurden. Das brachte den Bewohnern rechts der Ems wieder Püntentarif. Bevor die neue Brücke fertiggestellt war, ereilte die Bewohner der Bauerschaften rechts der Ems ein furchtbares Unglück, indem am Neujahrstage 1678 nach dem Gottesdienst 92 Personen bei der Überfahrt ertranken. Als im Jahre 1721 die Brücke von der fürstbischöfllichen Hofkammer enteignet wurde und Brückengeld erhoben wurde, blieben die Bauerschaften rechts der Ems davon frei. So hatten die Gemeinden rechts der Ems im Laufe der Jahrhunderte gemeinsame Not, gemeinsamen Kampf und gemeinsame Opfer auszutragen, was sie aber auch bis auf den heutigen Tag mit einem Gemeinschaftsgeist erfüllte, wie man ihn in Gemeinden, die sich örtlich näher liegen, oft nicht findet.
Die Gemeinde r. d. Ems wird in einer Länge von 11 Kilometer vom Dortmund-Ems-Kanal durchschnitten. Reges Leben herrscht stets im Kanalhafen an der Reichsstraße Rheine-Osnabrück. Hohe Silobauten und weitauslangende Dampfkrane zeugen auch hier vom zielbewußten Aufstieg Deutschlands seit 1933.
Meyering (Rheine).



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