- 113 - Das Heuwes-Erbe in Gellendorf ----------------------------- So mancher Bauernhof in der näheren und weiteren Umgebung von Rheine hat eine wechselvolle Geschichte. Aus alten Urkunden liest man oft nur den Streit heraus, der gegenüber Grundherren und Nachbarn um Weide- und Holzungsrechte usw. ausgefochten wurde, und doch darf es den Bauern und seinem Geschlecht nicht gleichgültig sein, was sich in Jahrhunderten auf seinem Hof und seinen Fluren abspielte. Von den Bauernhöfen und alten Erben, die um die Mitte des 16. Jahr- hunderts dem Falkenhof und seinem Lehnsherren Willem Morrien, der wiederum bei den Aebtissinnen von Herford in Diensten stand, zehnt- bar waren, haben sich nur wenige mit Hofnamen und mit gerader Ge- schlechterfolge erhalten können. Zu diesen darf man das Erbe Heuwes zählen, welches bis auf das Jahr 1392 zurückgeht. Hch. Vollmer weist in seiner "Geschichte der Stadt und des Amtes Rheine" nach, daß in einer Markenrolle des Jahres 1469 von einem Hof Hovedes, auch Häuwes, die Rede ist, der den Edlen von Steinfurt gehörig und seit dem 14. Jahrhundert ein bischöflicher Hof war. "Ut Armot dat Erwe verlaten" ---------------------------- Die Pachtaufzeichnungen, die Willem Morrien im Jahre 1573 selbst schrieb, beginnen beim Hof Heuwes wie folgt: "Item dit nabeschreuen landt, kempe un wischen sinnen gehorich tho Hoeue- des erue (Erwe) tho Gelendorpe und licht meistlick wößt ... Et ist tho wetten (wissen) dat hoeuodes huse minen gnedigen hern van munster lehnroerich ist und Ehr fürstliche gnaden hebben den wagendenst daruht, derwile dat dit Erwe dorch grote blewarunge unde uplage des herndenstes verdoruen unde de man, der welche darup gewonet, ut armot dat Erwe verlaten unde wöst geworden, so ist dat Erwe middelerwile un- - 114 - - 2 - besatet geblieven unde hebben de Amptlude (von Herford) dar genen (keinen) denst van gehaet, wowal daruume gefurdert ist man vindet ock in miner kisten (Falkenhoftruhe) allen wideren boscheit von tho hoeuedes Erwe horende belange." Der Edle und Ehrenfeste wehrte sich ----------------------------------- Im jahre 1573 hatte Willem Morrien einen Streit um das Erbe Heuwes auszufechten, er mußte einen Richter und mehrere Zeugen aufbieten, um seine Besitzrechte auf das umstrittene Erbe geltend zu machen. Die Verhandlungsurkunde vermittelt uns nicht allein familienge- schichtliche Hinweise auf alle in dieser Sache auftretende Personen, sie offenbart auch den Geist der damaligen Obrigkeitsordnung, der arm und reich unterworfen war. Auszugsweise heißt es in der Urkunde: "Im Namen Gottes amen. Tho kund un wittich un apenbar allen un ieder- mennichlichen de disse apanbare Urkunde lesen edder lesen horen, wie im Jahr nach Jesu Christi Geburt 1573, Februaris den achten dag sint gekomen in miner Notarie de gegenwärtigen tuge (Zeuge) um ock in bewisent (Beisein) des Erbaren unde vorsichtigen Johan Kremers, Richter unde Gograf binnen Reine, de Ersamen Bertiken Johan, holtrichter in den olden Reiner brooke, Engelbert Lansink, lobert rothgerinch, Berndt mensinch, wohnend in der burschop Oldenreine, unde Egbert Santman, wohnend in der burschop Gelendorpe, sagten unde bekunden öffentlich unde jeder für sich, daß der Edle und Ehrenfeste Willem Morrien en wörtes Erwe hadde liggen in de burschop Gelendorpe genant Hoeuedes erue (Erwe) welches wäre berechtigt unde beanteilet mit twen waren (Anteile) in den oldenreiner brooke unde oldenreiner marke. Hir bi sint an ock met mi gewesen vor Tugesluden (Zeugesleuten) dartho recuirert (aufgefordert) de Ersamen unde Frommen Helmich Eppinck unde Mester Johan Hoddel, Borger binnen Reine. Joannes Sommer, aus hl. keiserlicher Autorität Notar." - 115 - Der feierliche Weinkauf ----------------------- Es schreibt Willem Morrien weiter: "Item den wortmans kamp in Hoeuedes Erwe kan man weiden tein koi (Kühe) gifft davor derdenhaluen (3 u. 1/2) daler, un enen schricken- berger tho wincop, dussen kamp hefft ruwen Jurgen (der Heuerling) anno 71 angenomen vor veier iar (für 4 Jahre) unde gifft thor pacht einuntwintich daler unde ein achtendeil botteren thon wincop, do he den kamp ingewaen (übernommen hat). Et ligget ock darbi ene vischelacke (Fischwiese), half min thogehorich, unde andere helfte den krum Arndt (Hof Krumme), ock to wetten dat ich minen andeil der vischerie verpachtet hebbe den ruwen Jurgen, iarlings vor iyn (ein) daler." Der Schrickenberger ist eine damals allgemein gültige Münze aus Meißen, auch Engelsgroschen genannt (Wert im Jahr 1557 = 4 schilling und 2 pfennige, münsterisch). En Wincop = Weinkauf, Wein (oft auch Bier): der bei fast allen abge- schlossenen Verhandlungen, Käufen, Verpachtungen usw. von allen Be- teiligten und Zeugen als Besiegelung getrunken wurde. Um das Jahr 1550: "well ene maget, of knecht wint (einstellt), un hefft den wincop entfangen, so sind se schullig (schuldig) to denen (zu dienen). -.-