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                      Das Heuwes-Erbe in Gellendorf
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So mancher Bauernhof in der näheren und weiteren Umgebung von Rheine
hat eine wechselvolle Geschichte. Aus alten Urkunden liest man oft
nur den Streit heraus, der gegenüber Grundherren und Nachbarn um
Weide- und Holzungsrechte usw. ausgefochten wurde, und doch darf
es den Bauern und seinem Geschlecht nicht gleichgültig sein, was
sich in Jahrhunderten auf seinem Hof und seinen Fluren abspielte.

Von den Bauernhöfen und alten Erben, die um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts dem Falkenhof und seinem Lehnsherren Willem Morrien, der
wiederum bei den Aebtissinnen von Herford in Diensten stand, zehnt-
bar waren, haben sich nur wenige mit Hofnamen und mit gerader Ge-
schlechterfolge erhalten können. Zu diesen darf man das Erbe Heuwes
zählen, welches bis auf das Jahr 1392 zurückgeht. Hch. Vollmer weist
in seiner "Geschichte der Stadt und des Amtes Rheine" nach, daß in
einer Markenrolle des Jahres 1469 von einem Hof Hovedes, auch Häuwes,
die Rede ist, der den Edlen von Steinfurt gehörig und seit dem 14.
Jahrhundert ein bischöflicher Hof war.


"Ut Armot dat Erwe verlaten"
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Die Pachtaufzeichnungen, die Willem Morrien im Jahre 1573 selbst schrieb,
beginnen beim Hof Heuwes wie folgt:
"Item dit nabeschreuen landt, kempe un wischen sinnen gehorich tho Hoeue-
des erue (Erwe) tho Gelendorpe und licht meistlick wößt ...

Et ist tho wetten (wissen) dat hoeuodes huse minen gnedigen hern van
munster lehnroerich ist und Ehr fürstliche gnaden hebben den wagendenst
daruht, derwile dat dit Erwe dorch grote blewarunge unde uplage des
herndenstes verdoruen unde de man, der welche darup gewonet, ut armot
dat Erwe verlaten unde wöst geworden, so ist dat Erwe middelerwile un-

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besatet geblieven unde hebben de Amptlude (von Herford) dar genen
(keinen) denst van gehaet, wowal daruume gefurdert ist man vindet
ock in miner kisten (Falkenhoftruhe) allen wideren boscheit von tho
hoeuedes Erwe horende belange."



Der Edle und Ehrenfeste wehrte sich
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Im jahre 1573 hatte Willem Morrien einen Streit um das Erbe Heuwes
auszufechten, er mußte einen Richter und mehrere Zeugen aufbieten,
um seine Besitzrechte auf das umstrittene Erbe geltend zu machen.
Die Verhandlungsurkunde vermittelt uns nicht allein familienge-
schichtliche Hinweise auf alle in dieser Sache auftretende Personen,
sie offenbart auch den Geist der damaligen Obrigkeitsordnung, der
arm und reich unterworfen war. Auszugsweise heißt es in der Urkunde:


"Im Namen Gottes amen. Tho kund un wittich un apenbar allen un ieder-
mennichlichen de disse apanbare Urkunde lesen edder lesen horen, wie
im Jahr nach Jesu Christi Geburt 1573, Februaris den achten dag sint
gekomen in miner Notarie de gegenwärtigen tuge (Zeuge) um ock in
bewisent (Beisein) des Erbaren unde vorsichtigen Johan Kremers, Richter
unde Gograf binnen Reine, de Ersamen Bertiken Johan, holtrichter in den
olden Reiner brooke, Engelbert Lansink, lobert rothgerinch, Berndt
mensinch, wohnend in der burschop Oldenreine, unde Egbert Santman,
wohnend in der burschop Gelendorpe, sagten unde bekunden öffentlich
unde jeder für sich, daß der Edle und Ehrenfeste Willem Morrien en
wörtes Erwe hadde liggen in de burschop Gelendorpe genant Hoeuedes erue
(Erwe) welches wäre berechtigt unde beanteilet mit twen waren (Anteile)
in den oldenreiner brooke unde oldenreiner marke.


Hir bi sint an ock met mi gewesen vor Tugesluden (Zeugesleuten) dartho
recuirert (aufgefordert) de Ersamen unde Frommen Helmich Eppinck unde
Mester Johan Hoddel, Borger binnen Reine.
Joannes Sommer, aus hl. keiserlicher Autorität Notar."

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Der feierliche Weinkauf
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Es schreibt Willem Morrien weiter:
"Item den wortmans kamp in Hoeuedes Erwe kan man weiden tein koi
(Kühe) gifft davor derdenhaluen (3 u. 1/2) daler, un enen schricken-
berger tho wincop, dussen kamp hefft ruwen Jurgen (der Heuerling)
anno 71 angenomen vor veier iar (für 4 Jahre) unde gifft thor pacht
einuntwintich daler unde ein achtendeil botteren thon wincop, do
he den kamp ingewaen (übernommen hat). Et ligget ock darbi ene
vischelacke (Fischwiese), half min thogehorich, unde andere helfte
den krum Arndt (Hof Krumme), ock to wetten dat ich minen andeil der
vischerie verpachtet hebbe den ruwen Jurgen, iarlings vor iyn (ein)
daler."

Der Schrickenberger ist eine damals allgemein gültige Münze aus Meißen,
auch Engelsgroschen genannt (Wert im Jahr 1557 = 4 schilling und 2
pfennige, münsterisch).

En Wincop = Weinkauf, Wein (oft auch Bier): der bei fast allen abge-
schlossenen Verhandlungen, Käufen, Verpachtungen usw. von allen Be-
teiligten und Zeugen als Besiegelung getrunken wurde.

Um das Jahr 1550: "well ene maget, of knecht wint (einstellt), un
hefft den wincop entfangen, so sind se schullig (schuldig) to denen
(zu dienen).
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