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Der Bauerhof Runge, Rheine, Wadelheim Nr. 5
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Jeder Bauernhof, der auf ein jahrhunderte langes Alter zurück-
blickt, hat eine wechselvolle böse, aber auch gute Zeit durch-
lebt. Das trifft auch für das alte Bauerngehöft Runge, Wadel-
heim Nr. 5, zu. Es waren gesegnete Zeiten, in denen der Hofbe-
sitzer eine gebende Hand für die Armen der Stadt hatte, aber
auch recht böse, in denen der Bauer ppr. = arm war und seine
Hofstätte wüst vacat = unbesetzt war.

Der erste Runge, der in der Geschichte der Bauerschaft Wadel-
hein aktenkundig wird, ist ein Bertold Runge in Wadelheim, er
wird in der fürstbischöflichen Willkommschatzung vom Jahre 1498
genannt. In der bischöflichen Vehschattunge vom Jahre 1534 stellt
sich ein Johan Rungen mit einem ansehnlichen bäuerlichen Anwe-
sen vor. Er hatte in seinen Ställen:
    5 perde, 1 follen, 4 ossen, 7 koye, 30 schape, 14 sweyne.
Der Bauer hielt sich einen Knecht und eine Magd und zahlte an
Steuern 8 mark, 7 schillg. und 3 deut.
Obwohl vom Jahre 1498 - 1784 kein Grundherr über den Hof ange-
geben ist, muß er doch einen solchen gehabt haben, das schlie-
ßen wir aus der Anzahl der Zugtiere. Die 4 Ochsen wird er für
die Ackerbestellung, die 5 Pferde jedoch für Spanndienste für
den Grundherren und Kirchspielsbelange gehalten haben. Im Ver-
lauf der Jahrhunderte wird in vielen Urkunden und Akten des
Stadtarchivs ein Runge erwähnt, davon seien einige genannt:

1572  die Stadt verkauft dem Bauer Johan Runge und dessen Frau
      Fenne einen Zuschlag (Ackerstücke) an der Loege (Lauge)
      nach dem Duthemer Sunder, neben Korerts Garten nach den
      Theigebriden (Zeigeleien)

1593  wird ein Heinrich Runge a.d. Thie genannt

1604  ist eine Rungen Greit als ppr. = arm im Alten Hospital
      und ein Gert Runge als Bodde (Bote) in Diensten der Stadt

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1605  vor dem Richter Johan Borchert stiftet Joh. Runge, der jün-
      gere aus Wadelheim, für die Armen der Stadt Rh. eine jähr-
      liche Rente von 3 Scheffel Roggen aus 20 Rtlr. Kapital
1617  hat ein Henrich Runge Pachtland auf den Thieberg von Morrien
      (Falkenhof)

Im Jahre 1664, nach dem 30jährigen Krieg, wird der Hof in einer
Schatzung des Kirchspiels nicht erwähnt. Wir dürfen annehmen, daß
er mit anderen Bauernhöfen der Bauerschaft zerstört war, denn noch
im Jahre 1678 wird der Bauer Runge mit seinen Hofnachbarn Rosst,
Windmüller, Backman und Weirer zu den vorhandenen kundlichen Armen
des Kirchspiels gerechnet und genießt als ppr. = arm eine Moderation
Steuernachlaß.

Im Jahre 1741 scheint es mit dem Bauernhof wieder bergauf gegangen
zu sein, denn er hat neben der Leibzucht (Altenteil) einen Heuer-
mann namens Weirer, 1764 einen solchen namens Rogenkemper. Den
Schatzungslisten können wir entnehmen, daß der Hof Runge nur einen
einzigen Grundherren hatte, er wird 1784 genannt: Landrentmeister
Dr. Forkenbeck. Bekannt wurde Frau Forkenbeck durch ihre Stiftung
der Kinderbewahrschule vor dem Thietor.

Anfang einer neuen Zeit
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Angeregt durch die gesellschaftspolitischen Neuordnungen des Kaisers
Napoleon sah sich auch der Staat Preußen genötigt, durch Gesetz vom
Jahre 1809 die gänzliche Aufhebung der Leibeigenschaft durchzuführen.

Dem Vorgang des Überganges des ganzen Rungen Erbes in das freie
Eigentum des Colonen Hermann Runge und seiner Ehefrau Anna Cath.
Mersmann, liegen mehrere Akten zugrunde:

27. 8. 1802  900 Rtlr., welche nach der notariellen Urkunde vom
gleichen Tage der Zeller Johan Herm. Runge zur Abzahlung der Frei-
kaufssumme an seinen Gutsherren Dr. Forkenbeck von dem Stadtrent-
meister Joh. Linge zu Rheine bei Verpfändung seiner Hab und Güter
u. im besonderen seines freigekauften Erbes aufgenommen, einge-
tragen für die Geschwister Margaretha und Adelheid Linge am 12. 12.
1816.

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4. 5. 1813 Ablösung, Einhundert Reichsthaler oder dreyhundert
sieben und achtzig Franken zufolge der notariellen Urkunde vom
4. 5. 1813 der Ackersmann Herm. Runge zu Wadelheim mit Verpfän-
dung seines in der Commune Wadelheim belegenen Heuerhauses mit
dem dazu gehörenden Ackerland von ungefähr 1080 Quadrat - Ruthen
angrenzend an der Debitors Grund, Capital von dem Herrn Gast-
geber Franz Schmiers in Rheine.
13. 8. 1827 fünfhundert Rtl Capital nach der notariellen Obli-
gation vom 30. 9. 1802 die Eheleute Zeller Joh. Herm. Runge u.
Frau Anna Mersmann von Dr. Frz. Th. Wessels u. nach gerichtl.
Verhandlung v. 6. 5. 1845 an dem Herrn Gastwirth Franz Schmiers
zediert.

Die Obligationen der unter dem 12. 12. 1816 genannten Adelheid
Linge, welche am 29. 5. 1821 testierte, sowie diejenigen der
Erbin Margarethe Linge waren am gleichen Tage an den Kaufmann
Jos. Gabriel Niehaus gefallen.

Die Erbteile gingen dann
am 13. 5. 1850 von diesem an Florenz Niehaus und Frl. Auguste
               Niehaus
am  5.11. 1855 von diesen an Gottfr. Wilkens,
am  5. 2. 1858 von diesem an Theodor Bertling
am 29. 3. 1867 von diesem an Colon Woltering gt. Schürmeyer
am 13.10. 1867 von diesem an das Mathias-Spital in Rheine

Zuvor war am 15. 4. 1844 zwecks Ablösung der Capitalsumme eine ge-
richtliche Überschreibung zum Vorteile des Vikarienfonds, der Pa-
storat = Burse und der Caplanei der Kirche St. Dionysius Rheine er-
folgt.

27. 8. 1828. Nach dem roduirten notariellen Document vom 12. Junius
1802 haben des jetzigen Besitzers Eltern, welche das Colonat als
Eigentum besessen von den Erben des Doctoren Forkenbeck zu Hase-
lünne die Gutsherrlichen Rechte angekauft und haben solche Eltern
nach dem gerichtlichen Document vom 11. Junius Jahr 1818 das Erbe
auf den jetzigen Colonus Hermann Runge und dessen Ehefrau Catharina,
geb. Schulte abgetreten, für welche der Titulus am 16. 12. 1819 als
berechtigt angenommen wurde. Nach dem gerichtlichen Kaufcontrakt

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vom 24. Junius d. Js. hat der Besitzer mit Bewilligung der ein-
getragenen Gläubiger den 4ten Teil seines Roggenkampes, ca. fünf
Scheffel Gerste haltend, von seinem Colonate getrennt und an den
Ackersmann August Villers in Wadelheim verkauft.
Das letzte Bemerkenswerte, das ich als Schluß der Geschichte des
alten Bauernhofes Runge in Wadelheim, dem wohl alle Namensträger
Runge entstammen, setze, ist der letzte Wille des Colons Bern.
Runge und seiner Ehefrau Anna, geb. Herting vom 18. 5. 1893, nach
dem jedes der aus der Ehe hervorgegangenen fünf Kinder aus dem el-
terlichen Vermögen bedacht wurde.

Es waren die Kinder:

1. Bernard Heinrich        geb. 24.  8. 1884,
2. Franz Bernard           geb.  8. 12. 1885,
3. Johan Hermann           geb.  2.  3. 1887,
4. Bernard August          geb. 16.  4. 1888,
5. Bernard Josef           geb. 22.  9. 1892,

zahlbar als Abfindung vom elterlichen Vermögen, und zwar zur Zeit
der Großjährigkeit, Verheiratung oder eigenen Wirtschaftseinrich-
tung.